Es ist soweit. Wir sitzen am Flughafen und warten auf unseren Lufthansa-Flug, der uns nach San Francisco bringen wird.
OK, streng genommen bringt Lufthansa uns gerade mal nur bis Frankfurt, aber wenn alles geschmeidig verläuft wartet dort ein Flieger von United Airlines auf uns und DER bringt uns dann nach San Francisco. Sän Fräncisco…. Geplant sind zwei Jahre. Mal schauen wie es wirklich kommt. Und warum denn überhaupt Sän Fräncisco?
Wir ziehen um!
Folgende Unterhaltung fand während des Abendessens am 27. Oktober 2015 statt:
Matthias lapidar: „Du, wir ziehen um“.
„Aha“ antworte ich trocken und schiebe mir eine Nudel in den Mund. Wohin geht’s denn diesmal denke ich; denn seit mein Freund sein Doktorats-Studium an der TU-Wien beendet hat und auf Jobsuche ist kommt er immer breit grinsend mit allerlei abenteuerlicher Ideen daher und nur meine hochgezogene Augenbraue konnte verhindern, dass wir bereits in Tokio, München und/oder Zürich sitzen.
„Diesmal aber ernst“ meint er und ich höre zu kauen auf.
„Ich bin ganz Ohr“ nuschele ich an meiner Nudel vorbei.
„Naja, die Universität Stanford ist auf der Suche nach einem Post-Doc und hat meine Chefin gefragt ob sie jemanden empfehlen könne. Und, naja – sie möchte mich empfehlen. Aber vorher möchte sie sichergehen, dass ich mich dann auch ernsthaft bewerbe und mir tatsächlich vorstellen könnte dorthin zu ziehen – falls die mich dann nehmen sollten…was meinstn du?“
Uff. Ich entschließe mich die Nudel unzerkaut zu schlucken. Ich spüre, dass Matthias es diesmal wirklich ernst meint. Nicht so wie bei allen anderen Dingen die er mir bisher vorgeschlagen hatte. So frage ich mit Herzklopfen: „wo genau isn Stanford…?“ Ich hoffte es gäbe noch ein anderes Stanford, eines in England oder sonst wo in Europa. Aber nein. Die niederschmetternde Antwort lautete: USA. Westküste. Californien. Nähe San Francisco.
HILFE NEEEEEEEEEIN!!!
In Gedanken raufe ich mir die Haare und schreie NEIN NEIN NEIN und NOCHMALS: NEIN. Stattdessen frage ich sanft und sensibel: „Ja willst DU das denn?“
Erstaunt schaut er mich an. „Ja sicher! Das ist DIE Chance für mich! Und es wäre ja eh auch nur für ein Jahr. Also, natürlich nur wenn du auch willst….“
„Ok, ich denke darüber nach“ verspreche ich.
„Lieb. Aber könntest du mir bitte vielleicht schon morgen Bescheid geben? Denn meine Chefin wartet auf meine Antwort.“ Bittet er mich vorsichtig. „Es geht ja auch mal primär darum ob wir es uns generell vorstellen können. Es ist noch keine fixe Zusage“, ergänzt Matthias als er meine großen Augen sieht.
„Oki, morgen kriegst du Bescheid!“ sage ich und schalte mein Turbo-Gehirn an.
Turbohirn: Denke!
Zack-Zack-Zack gehe ich die Pros und Contras durch:
Pro:
Ich wollte schon immer mal für ein Jahr ins Ausland (aber doch nicht Amerika….)
Contra:
alles andere:
- Ich muss meinen Job kündigen
- Wir müssen unsere schicke Wohnung aufgeben
- Ich kann in diesem Land noch nicht mal in meinen Beruf, Tierärztin, arbeiten ohne vorher einige Prüfungen abzulegen. Das weiß ich von einer Freundin die gerade dorthin ausgewandert ist: sie hat 1-2 Jahre gelernt und circa € 10.000,- Prüfungsgebühr bezahlt…
- Die Katzen?! Was machen wir mit den Katzen?!
- Alle meine Freunde bleiben zurück…
- …und dann muss ich ja schon WIEDER bei Null starten (ich bin schon öfter umgezogen und musste mir einen neuen Freundeskreis aufbauen)
- Wir sind nicht verheiratet – da krieg ich ja kein Visum. Will ich deswegen heiraten???
- Was ist wenn ich hier alles aufgebe, mitgehe, und dann trennen wir uns, dann habe ich kein Geld, keinen Job, keine Wohnung…
- Oh Gottohgottohgott was ist wenn wir uns trennen?! Kein Geld, kein Job, keine Wohnung
- KEIN GELD! KEIN JOB! KEINE WOHNUNG!
Große Entscheidungen müssen überschlafen werden. Also schlafe ich.
Nächster Morgen. Ich wache auf. Mein erster Gedanke: Kein Geld, kein Job, keine Wohnung! Kein Geld, kein Job, keine Wohnung! Kein Geld, kein Job, keine Wohnung!
Na so wird das ja wohl nix! Kiki, reiß dich zusammen! Ich bitte mein Turbo-Hirn nun wieder auf normale Denkgeschwindigkeit zurückzuschrauben und versuche mein Herz in die Entscheidung mit einzubeziehen.
Der Verstand denkt. Das ist auch wichtig um 2+2 zusammenzuzählen.
Das Herz fühlt. Triff niemals eine Entscheidung ohne vorher dein Herz zu befragen.
Mein Herz sagt: „Was, wenn ihr euch nicht trennt? Was, wenn alles total super läuft? Du verdienst als Tierärztin in Wien ja eh nicht genug um davon leben zu können – vielleicht findest du dort etwas was dir womöglich sogar mehr Freude macht und du auch besser verdienst? Wie lautet deine Entscheidung wenn es nicht schief ginge, sondern gerade richtig?“
Gute Frage! Ich habe schon viele Entscheidungen aus Angst vor etwas getroffen. Und ich möchte mich nicht mehr von (meinen) Ängsten leiten lassen, sondern in mich, mein Leben und meine Zukunft vertrauen! Deswegen vergesse ich jetzt sämtliche Contras die von Angst geschrieben wurden.
Übrig bleibt:
Contra:
was machen wir mit den Katzen?
Pro:
ich wollte schon immer mal im Ausland leben!
Ok, für die Katzen findet sich eine Lösung! Das heißt: es bleibt nur noch ein Pro übrig. Na das erleichtert die Entscheidung natürlich ungemein! Und so ist es mir plötzlich sonnenklar. Und wie Matthias gestern schon sagte: „Wir ziehen um!“
Ein paar Minuten später lese ich auf dem Weg in die Arbeit folgende Werbeanzeige:
„Heute, vor 45 Jahren wurde die erste Mail der Welt nach Stanford gesendet“
Und so schreibe ich Matthias eine Nachricht: Gerade eine Werbung gesehen: „Heute vor 45 Jahren wurde die erste Mail der Welt nach Stanford gesendet“ 🙂 und 45 Jahre später, nämlich heute, wirst du hingesendet. Und wo du bist will auch ich sein. Also: meine Antwort zu Stanford ist JA!
15.07.2016
Abflug 13:10 h Wien, Austria – Ankunft 14:35 h Frankfurt, GermanyAbflug 17:25 h Frankfurt, Germany – Ankunft 04:40 h San Franciso, USA (bzw Ortszeit 19:40 h)
Ergibt eine Gesamtreisezeit von 15,50 Stunden
Ja…so war das also…und schuppsdiwupps sitzen wir auch schon am Flughafen. Wer kennt noch Rudi Carell mit seiner Show „Lass dich überraschen“?
„Eben noch in Wien 1220, jetzt auf der Show-Bühne“
Na gut, ein paar Zwischenschritte waren schon noch erforderlich bis es so weit war…aber davon erzähl ich euch beim nächsten Mal mehr 🙂
Auf Wiedersehen Wien…
Eine wunderbare, schöne Geschichte! Hat so viel Spass gemacht zu lesen dass ich mir auf mehr freue!!
…bin schon am schreiben 🙂
Ui. Hab gar nicht gewusst das Du so gut schreiben kannst. Wie wär’s mit Schriftsteller als Beruf solange Du noch nicht die Zulassung als Tierärztin hast. :-* von Auswanderin zu Auswanderin
Danke und liebe Grüße und Puss nach Schweden!
Hallo Kristina…
ich habe deine Geschichte gelesen und deine wahre Berufung erkannt…nämlich Schriftstellerin! Du schreibst so spritzig und locker wie die Autorin Susanne Fröhlich. Mach dir mal Gedanken darüber ob das nicht was für dich wäre. Glg nach Amerika
oh Danke 🙂 ich schreibe auch wirklich gern…
…aber hast hoffentlich Zeit für meine Zeilen….!
…natürlich nehme ich mir auch die Zeit für deine Zeilen 🙂