Ein neuer sonniger Tag in Sunnyvale bricht heran. Ich versuche die zwei Lästwanzen, Östrogen und Progesteron, zu ignorieren. Wie zwei kleine Teufelchen sitzen sie auf meinen Schultern und sind so lange lästig bis ich mich ärgere. Und dann freuen die sich einen Haxn aus. Aber das wäre doch gelacht wenn ich mir von zwei so kleinen Kröten die Stimmung vermiesen lasse! So verläuft der Tag gut und schnell.
Feierabendbier am Campus
Heute Abend ist am Campus ein after work beer mit Matthias‘ Arbeitskollegen + Partnern angesagt. Ich denke mir, wenn ich sowieso ein Ticket kaufen muss könnte ich auch gleich früher losfahren und ein wenig durch Palo Alto spazieren – dort gibt’s einen Nespresso-Shop (denn ohne Kaffeekapseln bringt die schönste Kaffeemaschine nix) und vielleicht finde ich auch endlich mein Stövchen.
Da es in den letzten Tagen etwas abgekühlt und ich ja beim letzten Palo Alto – Besuch so entsetzlich gefroren hatte habe ich daraus gelernt und ziehe eine zwar leichte aber denoch lange Hose an und nehme Puli UND Weste mit.
Nach dem dreißig minütigen Marsch komme ich komplett verschwitzt am Bahnhof in Sunnyvale an. Gott ist das heiß heute! Wo zum Geier ist der kühle Wind??? Ich habe EXTRA eine lange Hose angezogen. Verdammt, verdammt, verdammt! Die zwei Kröten hüpfen wild auf meinen Schultern und schreien jauchzend nach Zugabe. Oh, ich habe mich schon wieder gehen lassen. Ich atme ein und aus und freue mich wie doch die Sonne so schön scheint, vom wolkenlosen Himmel Kaliforniens. Bin trotzdem froh bald im klimatisierten Zug zu sitzen…
Kröten – ihr haltet eure Klappe!
In Palo Alto angekommen kämpfe ich mit Googlemaps und meiner nicht vorhandenen Orientierung. Wo bin ich?! Wo muss ich hin?! Ich renne wild im Zick-Zack auf dem glühenden Asphalt wie ein aufgescheuchtes Huhn, schimpfe wie ein Rohrspatz und schwitze wie ein Schwein. Und die Kröten? Die haben eine Mordsgaudi mich beim Auffinden einer Himmelsrichtung scheitern zu sehen.
Anstatt nach der von Googlemaps errechneten acht Minuten erreiche ich erst nach einer halben Stunde den Nespresso-Laden und erfreue mich an der im Shop befindlichen Klimaanlage. Ich stelle fest: bin mittlerweile schon fast so was wie ein Eingeborener.
Zu dem angebotenen Kaffee sage ich nicht nein und so entspanne ich mich beim Nespressokauf. Anschließend sehe ich mich wegen dem Stövchen um. Ein sehr gut bestückter (und teurer) Geschirr- und Kücheneinrichtungsladen schaut mir dafür geeignet aus. Ich erzähle der Verkäuferin mein Begehren und sie schüttelt traurig den Kopf – das wäre in dieser Gegend hier nicht so üblich und wahrscheinlich nicht zu bekommen.
Ok, also wenn ich das nächste mal auswandere, dann nehme ich mir eines meiner zahlreichen Stövchen von daheim mit!
Ich gehe zurück zum Bahnhof um von dort mit dem Bus nach Stanford weiter zu fahren. Ich benötige wieder eine halbe Stunde – den Bahnhof finde ich zwar schnell, aber wo war jetzt nochmal gleich die Bushaltestelle??? Ich finde nur den Busbahnhof, aber die Busse nach Stanford fahren nicht von dort.
„Wo fahren denn die Busse nach Stanford“ frage ich einige der dort Wartenden. Große Augen und Schulterzucken.
Ich merke wie mein Blut wieder in Wallung gerät. Und es kocht über, als ich meinen gesuchten Bus an mir vorbeifahren sehe.
„Irgendwo muss doch diese Haltstelle….“ knurre ich durch meine Zähne.
Mir ist heiß. Ich muss aufs Klo. Ich habe durst. Das macht schlechte Laune, oder nicht?
Schlussendlich finde ich sie und warte in der prallen Sonne auf den nächsten Bus. Mir ist heiß. Ich muss aufs Klo. Ich habe durst. Ich bin schlecht gelaunt. Und ich treffe gleich Matthias Arbeitskollegen. Gute Laune muss her!
Meine jetztige Laune erinnert mich an einen kalten Wintermorgen letzten Jahres in Wien. Matthias und ich hatten noch im Bett liegend eine Diskussion, oder nennen wir das Kind beim Namen: Streit. Worüber? Keine Ahnung mehr… Aber ich war so wütend. So was von wütend. Und ich wollte Matthias alles Mögliche an den Kopf werfen, verbal versteht sich, konnte vor lauter Wut aber kaum noch denken. So sagte ich zu ihm:
„Entweder wir hören jetzt auf zu streiten, oder…oder…“
„Oder was?!?“
„Oder ich gehe hinaus auf den Balkon…und erfriere!!!“ schnauzte ich und stampfte rumpelstilzchengleich mit meinem Fuß auf.
Dann war dreißig Sekunden Stille im Raum und ich sah es in Matthias‘ Gesicht zucken. Und ich spürte auch in mir einen Lachkrampf hochsteigen. Der Streit war vergessen und wir lachten Tränen!
An diese Geschichte muss ich gerade denken und merke wie ich wieder lachen muss. Versuche nicht zu lachen – stehe an einer Bushaltestelle und da gibts nix zu lachen. Das animiert leider noch mehr. Mir kommen schon die Tränen. Versuche meinen Lachanfall mit einem Hustenanfall zu kaschieren. Geht nicht. Schäme mich weil ich schon angeschaut werde und lache noch mehr. Halte verzweifelt mein Telefon ans Ohr um so zu tun als lache ich mit meinem Gesprächspartner. Das ist dermaßen doof, dass ich noch mehr lache. Und so johle ich und klopfe mir auf die Oberschenkel bis die Tränen aus meinen Augen spritzen. Ich habe ungeheuren Spaß mit mir und so komme ich bestens gelaunt in Stanford an!
Mit Humor geht alles leichter
Da noch ein wenig Zeit bleibt führt mich Matthias ein wenig herum. Wow!!! Das ist mal ein toller Arbeitsplatz!!! Also weniger das Büro, das ist klein und kalt. Aber der Campus ist großartig! Da möchte man am liebsten gleich nochmal Student sein…
Dann treffen wir uns mit Matthias‘ zwei Kollegen mit denen er sich das Büro teilt, ebenfalls Postdocs, sowie ein paar Studenten die gerade an ihrer Doktorarbeit schreiben und laut Matthias die genialsten Köpfe sind, die er jemals getroffen hat! So sitze ich mit lauter zukünftigen Physik-Nobelpreisträgern am Campus und trinke Bier. Und die sind alle sowas von nett! Noch nie wurde ich in einer Runde so schnell, so herzlich und so freundlich aufgenommen wie hier!
Wir erhalten zwei grenzgeniale Einladungen!
Wir verbringen einen sehr netten Abend und gehen mit zwei Einladungen nach Hause:
- Am Sonntag sind wir in eine Studentenbude auf dem Campus geladen. Jeder bringt etwas zu essen mit was typisch ist für sein Land – oder was er einfach gut kochen kann. Sehr geniale Idee! Ich bin schon am grübeln was ich da machen könnte…ich muss es daheim fertig zubereiten denn die Küche dort hat nur einen kleinen Herd und Mikrowelle, aber keinen Backofen. Das heißt es muss entweder kalt schmecken oder muss in der Mikro aufwärmbar sein. Vielleicht versuche ich mich morgen Nachmittag im Apfelstrudel backen…
- Einer der Doktoratsstudenten lebt ihn San Francisco und ist dort auch aufgewachsen. Und, haltet euch fest, er hat uns eingeladen durch sein Sän Frän zu führen und uns die Stadt aus Sicht eines Einheimischen zu zeigen.
Mittlerweile ist es dunkel, wir machen uns auf den Heimweg und ich bin endlich froh um meine lange Hose und meinen Puli sowie Weste, denn jetzt ists mal wieder ganz schön frisch…
Einen wunderschönen Tag mit tollen Erinnerungen wünsche ich Euch,
mieser Anfang – tolles Ende!
Wir freuen uns mit euch.
Bussi