„Du bist ja ein richtiger Camping-Hase!“ klopft mir Matthias anerkennend auf die Schulter.
„Wie, hast du etwa daran gezweifelt?“ frage ich.
Er grinst. „Naja…ganz hundertprozentig sicher war ich mir nicht wie gut du durchhältst…“
Ich war mir auch nicht sicher wie gut ich durchhalten würde. Daher sind wir zum ausprobieren am Wochenende nach Point Reyes gefahren. Weit genug weg, dass sich eine Übernachtung auszahlt, aber nah genug um im Notfall heimfahren zu können 🙂
Am Campingplatz Olema angekommen parken wir Carsten neben unseren Zeltplatz und bauen unser Zelt auf. Als hätten wir nie etwas anderes gemacht steht das Ding in wenigen Minuten einwandfrei.
Cool. Dann können wir ja den Nachmittag noch für eine Wanderung nutzen. Wir bewandern den Bear Valley Trail – laut Wanderführer ein wunderschönes Fleckchen Erde und daher sehr überlaufen. Da der Trail ganz in der Nähe von Olema ist wollen wir die Menschenmassen in Kauf nehmen, wenn es doch so schön sein soll?
Hmmm. Is eh ganz nett. Man latscht halt durch den Wald. Überlaufen ist der Weg aber ganz und gar nicht – uns begegnen ein paar Pferde (also samt Reiter), aber sonst ist’s recht ruhig. Und fad.
Einziger Lichtblick, im wahrsten Sinne, ist eine große Lichtung. Hier jausnen wir unser Mittagessen: Kiki’s Hummus, Brot, Karotte, Apfel und Nüsse. G’sund oba guat!
Nach gut zwei Stunden Wanderzeit durch den faden Wald kommen wir an der Küste an. HIER ist es toll! Tolle Aussicht, tolles Wetter – hier lassen wir es uns Wohl sein! Wenn man Lust hat geht der Wanderweg an der Küste entlang weiter…aber wir haben keine, denn es ist kein Rundwanderweg sondern out and back. Und das ist ja oberfad den gleichen Weg zweimal zu gehen.
So lassen wir uns von den Sonnenstrahlen kitzeln und entspannen. Besonders Matthias hat sich diese Entspannung verdient! Er war sowas von fleißig die letzten Wochen!
Feuer machen! Chili essen! Marshmellows grillen!
Zurück im Camp entzündet Matthias ein schönes Campfeuer. Also halt im Feuerring – natürlich nicht im ganzen Camp.
Ich koche uns ein veganes, simples aber so gutes Einfaches-Fünf-Minuten-Chili und werfe ein paar Kartoffeln in die Glut.
Dann speisen wir fürstlich an unserem Picknick-Tisch. Lecker Schmecker. Als Nachtisch grillen wir Marshmellows – was sonst, sind doch in California!
Und dann ists finster – und damit kalt. Brrr! Sehr kalt sogar. Also kriechen wir in unser Zelt und in den Schlafsack. Da uns gesagt wurde man müsse, um die ganze Thermowirkung eines Schlafsackes zu erfahren, nackt im selbigen liegen springen wir in lichtgeschwindigkeit aus den Klamotten und in unsere Schlafstätte.
Liege bibbernd FKK im Sack und brumme: „Und es wird kalt und immer kälter“ von STS…
Kurz vor dem Erfrierungstod scheiße ich auf Thermodynamik und schlüpfe in alles Verfügbare: Leggins, Jeans, T-Shirt, Puli und Fleecepulover. Um den Kopf wickele ich meine 1,- Fleecedecke von Ikea. Erst rundherum, aber da dann der Erstickungstod drohte erlaubte ich meiner Nase Zugang zu kaltem, aber lebenserhaltenden Sauerstoff.
Ergebnis: ich friere noch immer. Aber ich werde nicht sterben… 😀
Da lieg ich dann so und jede Muskelfaser zuckt um ein wenig Energie zu produzieren – und mir kommt diese Situation irgendwie bekannt vor…
Ja! Ich erinnere mich!
Drehen wir die Uhr mal ein paar Jahre zurück – Kiki ist fünfzehn Jahre alt:
„Boa i würd sooo gern amoi in St. Wolfgang in die Disco geh’n…“ flüstert Kiki.
„Ma jo, des wär so klass!!!“ wünscht sich auch Nina.
„Psssssssst! Ruhe jetzt! Es ist schon fünf nach zehn – Schlafenszeit!“ mahnt sogleich die Erzieherin.
Die beiden Mädchen warten ein paar Minuten bis die Gouvernante den Schlafsaal des Internats verlassen hat bevor sie die Unterhaltung fortführen.
„Aber wie sollen wir das machen? Wir können uns ja nicht nachts davon schleichen…“
„Ha!“ Nina hat eine Idee. „Wir fahren ja jedes Wochenende heim und kommen am Sonntag Abend wieder ins Internat zurück!!!“
„Ja? Und?“
„Na, wir fahren einfach am Sonntag Abend, so wie immer, mit dem Bus Richtung Schule, steigen aber schon in St. Wolfgang aus. Und dann rufen wir im Internat an, dass wir Montag früh von unseren Eltern in die Schule gebracht werden und daher jetzt nicht kommen. Damit wird uns niemand vermissen!“ jauchzt sie abenteuerlustig auf.
„Genial!“ bewundert Kiki ihre beste Freundin.
„Dann gehen wir in die Disco und bleiben bis zur Sperrstunde und dann schlafen wir einfach irgendwo draußen und fahren dann Montag früh mit dem Bus in die Schule!“
Kurze Zeit später wird die Idee in die Praxis umgesetzt. Die Teenager verabschieden sich eines Sonntag Abends ganz brav von ihren Eltern und steigen in den Bus. In St. Wolfgang steigen sie, ganz nach Plan aus, suchen erst eine Telefonzelle um im Internat mitzuteilen, dass sie erst morgen kämen, und dann das örtliche WC auf um sich schick und ausgehfertig zu machen.
„Ohoh…“ deutet Nina anschließend auf die beiden großen Reisetaschen. „Die können wir ja schlecht mit in die Disco nehmen!“
„Stimmt…“ grübelt Kiki. „Ich weiß was! Wir brauchen ja sowieso nachher einen Schlafplatz – lass uns den jetzt gleich suchen und dort die Taschen verstecken!“
Gesagt getan. In einem kleinen Waldstückchen am Ende der Ortschaft finden die beiden eine Parkbank und sind sich sicher, dass hier nachts keiner entlang kommen würde. Parken die Taschen, schwingen sich in die Disco und dort das Tanzbein.
Disco Disco – Party Party
Heißa, die beiden haben Spaß! Doch dann geschieht etwas unvorhergesehenes: Die Discothek hat Sonntags bereits um Mitternacht Sperrstunde. Den beiden fällt die Kinnlade herunter.
„So a Schaß!“ sagen sie unisono. Und nun? Die beiden schauen sich an. Mit zweitausend Einwohnern ist St. Wolfgang auch nicht so DIE Weltmetropole wo man mal schnell in eine andere Bar wechseln kann. So bleibt den beiden nichts anderes übrig als etwas verfrüht ihren Schlafplatz aufzusuchen.
„Naja, dann simma wenigstens fit morgen in der Schule…“ meint Kiki pragmatisch.
Da liegen sie dann so und jede Muskelfaser zuckt um ein wenig Energie zu produzieren… Aber die beiden Abenteurerinnen hatten bereits alles an Gewand und Klamotte angezogen was in ihren Reisetaschen zu finden war.
Man kann den Kopf in den Sand stecken. Oder in seine Reisetasche.
Kiki hat mal gehört, dass es wichtig wäre den Kopf warm zu halten und so öffnet sie kurzerhand die Reisetasche, steckt den Kopf rein und macht den Reißverschluss zu. Sie friert noch immer. Dafür kriegt Nina einen Lachkrampf und wird den Anblick Kiki liegt am Waldboden mit dem Kopf in der Reisetasche in ihrem Leben nicht mehr vergessen…
Bibbernd joggen die beiden alle halben Stunde für ein paar Minuten durch den Wald um sich ein wenig zu erwärmen und ihr junges Leben für zumindest eine Nacht zu verlängern…
„Ich könnte joggen gehen!“ denke ich. Aber dafür müsste ich den Fleecedeckenturban vom Kopf nehmen und aus dem Schlafsack krabbeln. Und da draußen ist es ja noch kälter als hier drin…
Camping auf dem Campingplatz Olema: Die Wiese ist groß, jeder Campground hat seinen eigenen Feuerring und Picknick-Tisch, und WC/Dusche ist weniger hübsch als im Hotel, aber hübscher als in Thailand… Ideal für Camping-Neulinge da es sich um ein Autocamping handelt – man kann mit dem Auto bis zu seinem Zeltplatz fahren und muss sein Hab und Gut nicht im Rucksack am Rücken transportieren…
„Nächstes Mal müssen wir unbedingt noch eine Bettdecke mitnehmen!“ schnattert Matthias am nächsten Morgen mit blauen Lippen.
Dann wärmen wir uns mit einer heißen Dusche auf und brausen nach dem Frühstück mit unserem Carsten zum südlichen Zipfel von Point Reyes, zum Leuchtturm.
Wir durchfahren die Ortschaft Inverness – und tatsächlich: in Schottland kann es nicht anders aussehen! Alles ist hügelig grün und der Nebel macht eine schaurig schöne Stimmung. Allerdings, an der Küste angekommen können wir die versprochenen Wale und Seehunde nicht sehen….
Wir können den Ozean hören…nur leider nicht sehen…
…da ist der Leuchtturm!
Auch wenn es Schade ist, dass alles im Nebel verschluckt ist, so ist’s doch auch ein toller Anblick.
Wir fahren dann aber doch lieber wieder zurück in den Sonnenschein. Baden ein wenig am Strand in der Sonne und machen noch einen Abstecher in den Norden zum Tomales Point Trail. Da es bereits vier Uhr Nachmittags ist und man für den ganzen Wanderweg um die fünf Stunden braucht gehen wir nur einen kleinen Teil. Aber HIER möchten wir wieder hinfahren! Ganz toll! Man wandert oben auf der Klippe an der Küste entlang mit toller Flora und Fauna und man kann sogar Wapitis sehen! Sie gehören zur Familie der Hirsche – sind aber deutlich größer als in Europa! Nur noch der Elch ist größer.
Fazit: wir sind (Auto)-Camping-Tauglich und können somit schön und billig urlauben – zumindest im Sommer und mit einer Extra-Decke… 😉
Ach du meine Güte, an diese Nacht kann ich mich auch noch sehr gut erinnern! ??
Die Vorstellung einer idyllischen Übernachtung im Freien hat sich für mich in jener Nacht erledigt! ??
Ganz liebe Grüße ins sonnige California! ?
Oh wir zwei haben schon verrückte Sachen angestellt damals…. 😀
Gut dass du in Thailand gewesen bist. So hast du immer einen guten Vergleich wenn was nicht so toll ist. Dann ist es meistens immer noch toller, hübscher, weniger eklig … als in Thailand
Ja, das stimmt… 🙂
wir wissen, wie lange eine Nacht werden kann….
nun ihr seid um eine Erfahrung reicher und man kann eine nette Geschichte erzählen!
ohja…. Einziger Vorteil meines Ganz-Kopf-Turbans: es war „stockfinster im Zelt“ und so wurde ich zumindest nicht schon um 5h von der aufgehenden Sonne geweckt 😀